Sapere laude!

„Wer ein 'Warum' zu leben hat, erträgt fast jedes 'Wie'.“

Diese berühmte und Bedeutungschwere Aussage von dem Wiener Psychiater, Philosoph und Begründer der "Logotherapie & Existenzanalyse" Viktor E. Frankl soll der erste Post auf der neuen Seite 'SAPERE LAUDE' sein. Dieses Statement stammt von Immanuel Kant und bedeutet: "Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!" oder wörtlich: "Wage es, vernünftig zu sein!"
Diese Posts wollen Mut machen, ganz Mensch zu sein und das Wagnis der Freiheit -mit Verstand und Vernunft- einzugehen.

Der große deutsche Philosoph Karl Jaspers sah in der Freiheit und dem Bewusstsein der Verantwortung den entscheidenden Impuls, „der hier wie überall in der Aktivität des Daseins die Grenzsituationen überwindet, der ein positives Bewußtsein von den Grenzsituationen schafft, der das Erleben von Sinn, von Halt, von Notwendigkeit gibt, der daraus Kräfte für konkrete Lebensaktionen schöpft, sie aber nie verbindlich und zureichend in gegenständlicher Form für andere aussprechen kann.“

In Vergleich zu Frankl und Jaspers, wirkt die Sicht der Soziologischen Systemtheorie nach Niklas Luhmann formuliert Sinn als das universale Medium der Formbildung sozialer und psychischer Systeme, eher Abstract und undurchdringlich. Jedoch beim näheren Hinschauen bestätigt Luhmann vielmehr die Aussagen Frankls und Jaspers.
Luhmann spricht in diesem Zusammenhang von Formen, psychische, physische und soziale Systeme, sowie Medium und Sinnentwürfe.
Physische, soziale und psychische Systeme bilden Formen. Zur Formenbildung benötigen sie ein Medium. So wie für physische Systeme die Gegenstände, mit denen sich die Physik befasst, ein universales Medium zur Bildung von Formen sind, so ist Sinn das universale Medium, mit dem soziale und psychische Systeme Formen bilden können.
Zu den Formen, die im Medium Sinn geformt werden können, gehören zum Beispiel alle Sinnentwürfe, alle Fragen nach dem Sinn und alle Antworten darauf.
Im Medium Sinn gibt es mögliche Formen (die noch nicht aktualisiert wurden) und aktualisierte (tatsächlich verwirklichte) Formen. Soziale Systeme erleben diesen Unterschied und handeln, indem sie aus möglichen Formen wählen (selektieren) und sie zu aktualisierten Formen werden lassen. Die Differenz zwischen möglichen und aktualisierten Formen ist überhaupt der Grund für das Erleben und Handeln sozialer Systeme. Und Sinn als Medium für Formen ist die Voraussetzung dazu. (Quelle: ua Wikipedia)
Es will mir so vorkommen, dass unsere Zeit durch zunehmende Formalisierung, Gesetzgebungen, Reglementierungen und einen so genannten Verhaltencodex versucht, Menschen in eine nutzbringende, effektive und gewinnbringende Richtung zu bewegen, wobei mir die Frage nach 'Wer' denn daran interessiert sein könnte, so etwas zu wollen, weniger interessiert als die Frage nach dem 'Warum' wir Menschen es für notwendig erachten, von 'nicht sichtbaren' Mächten gezogen und gelenkt zu werden anstatt selber nachzudenken, zu reflektieren und vor allen Dingen die uns angeborene Freiheit auszuleben.
Vielleicht sind diese 'unsichtbare Mächten', wie Dietrich Bonnhoeffer es erlebte, die 'guten Mächten' auf die er in seinem berühmten Gedicht "von guten Mächten wunderbar geborgen" im letzten Moment seines Lebens bezieht. Oder aber, wenn man Systemtheoretisch orientiert ist, sind diese Mächten Teil eines immanten System dessen eigendynamischen Zweck erfüllt wird, indem der Mensch ein Medium zur Umsetzung und Ratifizierung ist.
Eine personen- und sinnzentrierten Ansatz finden wir bei Viktor Frankl. Ein Mann, der sich -auch öffentlich- gegen 'unsichtbaren Mächten' ausgesprochen hat und sich für freie, selbstbewusst entscheidende Menschen stark gemacht hat. Frankl geht davon aus das Mensch auf einer noetischen (geistigen) Ebene in der Lage versetzt werden kann, selbstbewusst selbstbestimmt und sinnverwiklichend leben kann. Dafür sind Voraussetzungen und Gelegenheiten zu schaffen. Die "Existenzanalyse", analytischer Bestandteil der Frankelsche "Logotherapie & Existenzanalyse" bezieht sich daher zuerst auf die Biographie des einzelne Menschen um heraus zu finden woher dieser kommt und wo dieser sich jetzt befinden. Anhand dieses Status Quo kann dann der Blick nach vorne gewagt werden und Zukunftsoptionen und Sinnverwirklichungsmöglichkeiten erörtert werden. es das 'Persönliche', das 'Individuell Sinn erfüllende', das 'selbst suchen und Finden', was dieser Teil der des Weges so attraktiv, belebend und motivierend macht.
Der Mensch bekommt ein Bild von dem, was sein kann weil es bereits gedacht, gewollt ist. Oft wird Frankls "Logotherapie & Existenzanalyse" in Zusammenhang mit dem Holocaust gebracht. Frankl habe sein Opus Magnum die "Ärztliche Seelsorge" nach seine Zeit in den Konzentrationslagern verfasst hätte. Dies stimmt, jedoch nur zum Teil. Frankl hat sein Opus magnum bereits vòr seiner Deportierung nach Auschwitz fertiggestellt. Dort wurde es ihm abgenommen, wonach er, nachdem er wieder in Wien war, dieses große Werk in ein paar tagen, komplett rekonstruierte und niederschrieb. Ich glaube, Viktor Frankl hat seine "Logotherapie & Existenzanalyse" in den KZ's an sich selbst erlebt und auch bei anderen Mithäftlingen hat er diese als existentielle und lebensbejahende Therapie zum (Über-)Leben, als humanisierende Therapieform, einsetzen können.

Es stellt sich jedoch die Frage, ob die "Logotherapie & Existenzanalyse" auch ohne Bezug zur Holocaust und dem unermesslichen Leid, auskommen kann.
Wieso dieser Frage? Die Wirtschaftskrise 1933, der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1943 und die Massenvernichtung während des Holocaust, sind ein Teil des menschlichen Bewusstsein. Jedoch wird die Menschen die diese schreckliche Phase der Menschheit erlebt und erfahren haben immer kleiner, und damit ist für die zukünftigen Generationen den unmittelbare Bezug immer weniger gegeben.
Soll daher die "Logotherapie & Existenzanalyse" in Vergessenheit geraten, weil die Generationen die den Zweiten Weltkrieg erlebt haben irgendwann nicht mehr leben?
Ist denn die "Logotherapie & Existenzanalyse" NUR in Verbindung mit dieser Zeit zu sehen? Das würde für mich dann bedeuten, die Bedeutung Frankls und sein Werk für damals, heute und die Zukunft zu verkennen! Die "Logotherapie & Existenzanalyse", hat eine existenzphilosophischen (Jaspers) und einen generationsübergreifenden, universellen humanen Ursprung. Die Welt wäre ohne die "Logotherapie & Existenzanalyse" von Viktor Frankl ein ganzes Stück ärmer und hoffnungsloser und sinnloser.
Daher sage ich: "SAPERE LAUDE". Habe Mut, euren eigenen, individuellen Weg zu gehen, euer Leben sinnvoll zu gestalten und in immer mehr Handlungen, sinnvolles zu entdecken. „Wer ein 'Warum' zu leben hat, erträgt fast jedes 'Wie'.“

“Die geistige Freiheit des Menschen, die man ihm bis zum letzten Atemzug nicht nehmen kann, lässt ihn auch noch bis zum letzten Atemzug Gelegenheit finden, sein Leben sinnvoll zu gestalten. (aus Viktor Frankls berühmten Buch „… trotzdem Ja zum Leben sagen“)

PS